Von Anfang an hat Maki Na Kamuras Werk die Realität als die Summe all ihrer potentiellen Wahrnehmungen dargestellt. Die Künstlerin hat in ihren Gemälden immer sowohl die gewöhnliche als auch die außergewöhnliche Wahrnehmung der Welt begrüßt. In jedem Fall schlägt sie daher eine offene Wahrnehmung vor. Sie geht so weit, über den Titel bestimmter Werke zu erklären, dass das, was wir in ihnen sehen, bereits ein Fehler ist. Die beiden Buchstaben - "DL" -, die im Titel jedes Bildes der hier vorgestellten Serie vorkommen, sind die Abkürzung für "Depicted Lies" [dt. ‚dargestellte Lügen’]. [...]

Tatsächlich fügt die Künstlerin bewusst Störungen in ihr Werk ein. Alle ihre Darstellungen sind konstruiert, indem sie die Mehrdeutigkeiten hervorheben, die immer in der wahrgenommenen Welt und besonders in der gemalten Welt enthalten sind. Das ist das Herzstück ihrer kreativen Matrix. So werden in all ihren Arbeiten figurative Elemente und abstrakte Formen einander gegenübergestellt und verschmolzen. Zudem sind die so freigelegten Figuren sehr oft mit mehrdeutigen Skalen bemalt. All dies stellt die Art und Weise dar, in der die Künstlerin jede einheitliche und eindeutige Lesart des Bildes verhindert. [...]

Maki Na Kamura verweilt auf Formen, die mit der Subjektivität der Konturen spielen: Die Figur kann zum Hintergrund werden und umgekehrt. So scheint sie einige der Beobachtungen im Zentrum der Gestalttheorie (Gestaltlehre) konfrontieren zu wollen, die unter anderem beweisen, dass wir eine Unterscheidung treffen zwischen der Figur, die auffällt und eine definierte Kontur hat, und dem Boden, der weniger ausgeprägt ist, wodurch die Figur also existiert. Jede Wahrnehmung, jede mentale Repräsentation und jede semantische Struktur würde somit in Vorder- und Hintergrund unterteilt. (in gekürzter und übersetzter Version nach Julia Garimorth in: Un pasé à venir , Ausst.-Kat. [Steine legen, Äpfel lesen], Osthaus Museum, Hagen)

Maki Na Kamura, Künstlerin,kam in den neunziger Jahren nach Deutschland. Sie lebt und arbeitet in Berlin.