Das Werk Arnulf Rainers ist durch eine markante Verschiedenartigkeit der einzelnen Werkphasen gekennzeichnet, die im Verlauf seiner künstlerischen Laufbahn entstanden sind. Die surrealistisch anmutenden Arbeiten aus der frühen Nachkriegszeit, die »Blindzeichnungen« zu Beginn der 1950er Jahre, die »Übermalungen«, und die seit den 70er Jahren entstehenden »Fingermalereien« widerspiegeln diese Polarität in seinem Schaffen. Und doch ist der rote Faden, der vielleicht am besten durch ein andauerndes Interesse am Intuitiven zu charakterisieren wäre, nicht von der Hand zu weisen.
Die schwarzen Übermalungen, die seit der Mitte der 1950er Jahre sein Werk zu domi- nieren beginnen, haben Rainers Status als eigenständiger Beitrag zur Nachkriegskunst besonders nachhaltig geprägt. Sukzessive wird die Leinwand, die zuvor bereits eine Komposition Rainers oder von anderer Hand getragen hatte, mit Ölfarbe überdeckt, bis das ursprüngliche Bild zunehmend einer monochromen Fläche weicht. Die Übermalungen Arnulf Rainers vollziehen in ihrer Umnachtung des Bildmotivs eine schrittweise Verdrängung der zugrundeliegenden Bildvorlage, die sich endlich in einer tabula rasa zuspitzt. Die scheinbar eintönige Leinwandfläche ist in Wirklichkeit das mühsam errungene Ergebnis eines anhaltenden Gesprächs mit der Bildvorlage, das meist im Streit und in der Auslöschung durch jene schwarze Sintflut, die sich des ganzen Bildraums bemächtigt hat, endet. Das neue Gemälde verweist so geradezu auf die Verweigerung der ehemaligen Bildlichkeit, die unter dem schwarzen Teppich vollständig zum Erstummen gekommen ist. Die Spuren der Auseinandersetzung, die als Wunden und Narben in der lebhaften Struktur der schwarzen Fläche erhalten bleiben, offenbaren die zerstörerische Dimension dieser Technik, die sich den historischen Bildbestand nur aneignet, um ihn im Akt der Übermalung zu einem Palimpsest gerinnen zu lassen.
Arnulf Rainer wurde 1929 in Baden bei Wien geboren; ebenda wurde im September 2009 das Arnulf Rainer Museum eröffnet. Der Künstler lebt und arbeitet grösstenteils in Enzenkirchen.