Gabriella Gerosa's Werke sind der künstlerischen Tradition des Stilllebens verpflichtet, wenn sie ihr auch eine ganz neue, moderne Dimension hinzufügen. In das Arrangement, das der Betrachter als ausgewogen, in Farben und Beleuchtung sinnlich greifbar bewundert, tritt überraschend ein Moment der Bewegung, wenn ein Blatt geräuschlos herunterfällt. Die Stille bleibt, doch in das Stilleben ist eine Handlung eingeführt. Der Film und das Video ermöglichen eine Erweiterung der Dimension des Bildes. Gleichwohl wird in der Auseinandersetzung mit den alten alten Meistern die Frage nach der Bedeutung des Bildes als Reproduktion von Wirklichkeit neu gestellt.
Auch der Gattung Porträt hat Gabriella Gerosa in Julchen (2004), Julie (2009), Mariechen (2010) und den Bildnissen von Lady und Lord Foster(2008) eine neue Ebene der Wahrnehmung hinzugefügt.
Gerosa's Werke sind im Grunde klassisch komponierte Bilder. Die Orte werden sorgfältig ausgewählt, die Gegenstände bis in die kleinsten Details arrangiert und beleuchtet. Die gefilmten Personen müssen oft lange Zeit verharren, damit der gesuchte Ausdruck erreicht wird. Die Verlebendigung des Bildes wird im Grunde durch eine manipulierte Verlangsamung der Bewegung erreicht. Das Bild ist nicht ein Film und auch nur bedingt eine Reproduktion von inszenierter Wirklichkeit. Die Zeit scheint in diesen Werken sichtbar zu verrinnen und sich dabei stetig zu wiederholen. Bewegung und Handlung, so widersprüchlich das klingt, vermitteln den Eindruck von Dauer und der Suche nach Gewissheit.

Gabriella Gerosa begann als Malerin. Die expressiven, gestischen Werke führten sie jedoch nicht zu einem ihr ganz eigenen künstlerischen Ausdruck. Erst das Experiment mit den neuen technologischen Möglichkeiten, die die Kunst des Video bietet, eröffneten ihr den Weg zu einer neuen Dimension bewegter Gegenwart des Bildes und seiner emotionalen Wirkung auf den Betrachter.

[Text in gekürzter Fassung zitiert nach: Bewegung in der Stille, Thomas W. Gaehtgens in: Gabriella Gerosa, KWS Kunstpreis 2013, hrsg. Keller-Wedekind-Stiftung, 2013.]